…ich geb euch Schwarzbrot!

Wolf Biermann und der Blues

Es war im Jahr 1976, Wolf Biermann gab sein legendäres Konzert in Köln und wurde daraufhin aus der DDR ausgebürgert. Natürlich wurde alles von CBS mitgeschnitten – der Plattenverkauf sollte unglaubliche Ausmaße erreichen. Ich war schon für alle Plattencover davor verantwortlich und durfte dann auch die „Westproduktionen“ gestalten.

Dazu gehörte auch gemeinsames Abhören der Endmischung, zu dem der Verantwortliche der Plattenfirma ungeduldig erwartet wurde. Michael B. (Name der Red. bekannt) kam einfach nicht. Biermann, seine hübsche Begleitung (er hatte immer gut aussehende Frauen dabei), der Studiochef Wilkens und ich saßen in den Katakomben des Moses-Korn-Hochhauses im CBS-Studio in Frankfurt und warteten.

Was machen. Jeder, der Klavier spielt, kennt das. Da steht ein Klavier und du musst einfach hingehen und ziehst am Deckel, ob das Teil abgeschlossen ist. Wolf Biermann machte das auch und fing an, den Yamaha-Flügel zu spielen. Allerhand Kram, Pling Plong und Tralala, aber recht professionell. Ich glaube, nein ich weiss, Klaus Wilkens drückte irgendwann die Aufnahmetaste. Und dann zog das berühmte Biermannlächeln über das Gesicht des Pianisten. „Ich geb euch Schwarzbrot!“ rief er lachend und spielte – na was wohl – den Blues. „Nobody knows you when you’r down and out“. Natürlich sang er dazu. Wenn so was auf Platte veröffentlicht würde, dachte ich. Wir staunten.

Wilkens war damals ja DER Toningenieur für Alles und Jeden. Unser beider Namen findet man leider auch auf so geilen Produktionen wie „Marianne und Michael“ und manch anderen lausigen Plattencovern. Na ja ich weiss nicht, ob ich damals überlegte, ob Marianne und Michael vielleicht auch den Blues… besser nicht, denke ich heute. 🙂

So ging das vielleicht eine dreiviertel Stunde. Wolf Biermann gab Schwarzbrot. „Von mir bekommt ihr keine Scheiss-Brötchen, jetzt gibt’s Pumpernickel!“ Er war für seine derbe Sprache bekannt. Manchmal brüllte er in einem Restaurant urplötzlich aus vollem Hals „…hier im Westen ist ja alles sooo schön Scheiße!!!“ Und aß sein Entrecote mit den Fingern. Die CBS-Leute genierten sich.

Kurz vor dem Treffen hätte Biermann fast mein Motorrad geschrottet .„Gib mal her“. Ich konnte nur noch kurz warnen „…das ist ein italienisches, da sind Bremse und Schaltung andersrum!“ Er hörte nicht hin. Schon schoß er mit meiner Laverda 750 S quer über die Straße, um über den Bürgersteig zu brettern und trotzdem noch die Kurve zu kriegen. Im letzten Moment. Ohne Helm und Führerschein. Gefühlte Stunden später kam er angetuckert und meinte: „…na das ist ja ein Geschoß“. Er lachte. Ich war naß geschwitzt.

Wolf Biermann spielte. Boogie Woogie. Jazz und immer wieder den Blues, manchmal auch mit deutschen „Scheiß-Texten“. Zum Schluss wurde es auch noch albern. Zum weltberühmten Lied „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“! sang er noch „Wolf Biermann fährt in Frankfurt Main Motorrad“ oder so ähnlich. Leider kein Blues. Ich hoffte, dass Michael B. sich in einem Stau befindet, aus dem er nicht mehr rauskommt. Er kam trotzdem und es wurde geschäftlich. Die Köln-Aufnahmen wurden gecheckt und mein LP-Entwurf besprochen.

Wolf Biermann Cover

… so sah das Plattencover aus …

Das mit Biermann ging noch ein paar Jahre so, es gab eine Unmenge an Produktionen, Michael B. wurde entlassen (vielleicht wegen Unpünktlichkeit haha) aber das Interesse an kritischer Deutscher Intelligenz-Musik verlor sich im Diffusen.

An die Blues-Aufnahmen habe ich lange nicht mehr gedacht. Ich bin sicher, dass es sie heute noch gibt in den Archiven von Sony-Music, die ja heute die CBS-Produktionen verwaltet. Auch den Wilkens wird es noch geben. Ich werde mal schauen, ob ich ihn finde. Wäre doch ne geile Scheiß-CD wert oder?

Trotz alledem ...

…Wolf Biermann war damals auf allen Kanälen zu sehen. kam ständig in der Tagesschau, wurde ständig zu irgendwelchen Themen befragt, und ich bekam ständig neue Aufträge. Ne geile Zeit.

Euer Friedhelm „Freddie“ Meinaß

 

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