Legende des Delta-Blues
Von einem, der in Louisianna geboren wurde, über Memphis nach Detroit in die Hastings Street kam um den den Blues zu spielen und dort zum „King of the Delta Blues“ wurde.
Stell Dir vor, du bist 13,14 Jahre, bist in der Schule voll am abkaspern, hängst den ganzen Tag mit deiner Gitarre rum. Und dann hörst du, wie abends deine Mutter zu deinem Vater sagt „…ach, lass den Jungen doch Musik machen!“ Wäre schon gut, oder?
John Lee Hooker hat diese Begebenheit in dem Blues “ Boogie Chillen“ beschrieben: „…and I felt so good!“
Let this Boy Boogie Woogie – seine Mama wusste ja auch nicht so genau, was er da spielte. Auf jeden Fall war das aber die Geburtsstunde, der Anfang für einen der berühmtesten Bluesplayer auf der Gitarre und Sänger mit einer umwerfend geilen und tiefen und beeindruckenden Stimme.
Als ich Anfang der 70er in einer Ethno Band als Bassist aushalf (Refrains nach Lautschrift mitgesungen), spielten wir in Darmstadt in einem wilden, etwas heruntergekommenen Club, Jam-Pott genannt, tief unter der alten Stadtmauer. Ich ließ mein schönes geringeltes Kabel im Club liegen und musste deshalb am nächsten Tag die Strecke von zu Hause zum Jam Pott laufen, das Teil kostete immerhin 12 DM. Dafür kann man schon mal 2 km laufen.
Der Club war offen, unten lag auf der Eckbank der Keeper und schnarchte. Offenbar war das sein Nachtlager. Ich kramte rum, er wachte auf und grollte: „Boom boom boom boom – im gonna shoot you right down“.
Ich bekam Angst, er aber trank erstmal ein Glas und legte die Platte auf. Das war mein erste bewusste Begegnung mit John Lee Hookers Bluesgenius. Ich fand mein Kabel, bedankte mich und durfte noch die Rückseite hören: „I’m in the mood for love“. Frühmorgens eine Zumutung, aber der Keeper brummelte mit und wurde zusehends wacher. Wir wurden Freunde und machen noch heute Musik zusammen. Blues, was sonst.
Wer schon mal das intensive „Crawling king snake“ gehört hat, das er Ende der 40er nach dem 2. Weltkrieg in Detroit aufnahm, weiss, dass man sich der Faszination seiner Stimme schwer entziehen kann. Manche bezeichnen seinen Gitarrenstil als eintönig, auch wenn er als Markenzeichen ständig mit seinem Fuß den Rhytmus mitstampfte. So ist er auch richtig abgekackt, als BB King populär wurde, der technisch entscheidend mehr drauf hatte. Seine Stimme war irre. Körperlich nicht gerade ein Schwarzenegger – konnte er aber die Damen reihenweise umlegen – seine Stimme war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend: „Talk to me – that baby-talk…“. Von der Damenwelt war er anscheinend guten „Response“ auf seinen „Call“ gewohnt.
Wobei eben der „Call and Response“ das Zeichen des Blues ist, des Delta Blues sowieso. Und wichtiger als technische Versiertheit. Der enge Verwandte des Delta-Blues, der Country-Blues, kam mit ganz einfacher Instrumentierung aus. Furry Lewis ist das Beispiel hierfür – kaum Spieltechnik, aber viiiiiel Gefühl, Traurigkeit, Selbstmitleid, Anklage, Depression, Geilheit und Aufschneiderei. Das war wichtiger. Mit dem Blues, da konnten alle Machos sein.
Ganz Nebenbei: die Königs-Schlange war natürlich eine sexuelle Anspielung auf sein na-was-wohl königliches Teil. Gerade der Delta-Blues kam kaum ohne solche eindeutig zweideutigen Anspielungen aus. „If you don’t like my peaches, don’t shake my tree“. Und wenn John Lee martialisch sang: „Boom boom boom boom“ und die Lady beileibe nicht niederstrecken wollte war das nur ein Hinweis, dass es ihr es gleich viermal geben könnte. Prahlerei war und ist neben einer gewissen Weinerlichkeit „I woke up this morning & my Baby was gone, schnüff“ auch das Zeichen des Blues. Selbst der tägliche Sprachgebrauch strotzte (und strotzt) voller netter Vergleiche. Und das ist nicht nur Machosprache. Kaum einer verstand, was die schwarze Lady im Film „Ray“ meinte, wenn sie rief: …ich hab noch Brombeertörtchen für dich!“. Dazu muss man wissen, dass Kraushaar nicht nur auf dem Kopf wächst und halt an gewisser Stelle schon verlockend aussieht, im wahrsten Sinne des Wortes.
Dieser Art von Wortwahl bediente sich in den Neunzigern auch die deutsche Bluesrockband „Electric Apartment“, recht freizügig: „Do you wanna diamond ring – i show you how to shake my thing – hey baby do you wanna rock – i show you how to f…“. Wobei das von Ray Charles geprägte „shake this thing“ nun eindeutig als „mein Ding“ betitelt wurde. Wobei das eine deutsche Lady sang. Auch die haben Dinger.
Zurück zu John Lee Hooker. Er beeinflusste stilmäßig alle amerikanischen Hochburgen und Interpreten des Blues, spielte mit unzähligen Größen, nicht nur des Blues zusammen. Nachdem er jahrelang die Südstaaten abklapperte, kam er in Detroit ab ca. 1934 zu seinem wohlverdienten Erfolg. Da er später als Begleitmusiker u.a. Jimmy Reed („Bright Lights, big City“) verpflichtete, konnte sein einfacher Gitarrenstil gut kaschiert werden und hatte so z. B. BB King etwas entgegenzusetzen.
Es gibt neuere Aufnahmen mit Bonnie Raitt und Robert Cray, die beide durch ihre Begleitung und Soloarbeit John Lees Technik durchaus „anreicherten“ und sich einfühlsam unterordneten.
John Lee Hooker hasste den Krieg. Es gibt Aufnahmen aus den späten 40ern, in denen er die Unsinnigkeiten des 2. Weltkriegs besang. Insbesondere verstand er nicht, warum America the Beautyful ständig die Weltpolizei spielen muss während die Anzahl vergessener, körperlich und seelisch kaputter Veteranen ständig wächst. Auch Vietnam konnte er nicht verstehen:
„I got so much friends in Vietnam,
I might not never see them no more
Sittin‘ here thinkin‘ thinkin‘ thinkin‘, I don’t wanna go to Vietnam
You men in the street have so much trouble of their own,
why they wanna fight in Vietnam“
Ausser seinen Blues-„Hits“ brachte er eine unglaubliche Fülle an Bluesen heraus, mit unterschiedlichem Erfolg, so dass er in den Siebzigern fast aufgab, um dann erst recht durch zu starten. Dazu verhalfen ihm viele seiner erfolgreichen Freunde, von Canned Heat über Carlos Santana, Joe Cocker bis Huey Lewis. Die zeigten, dass es, auch wenn es bergab geht, Musiker ziemlich solidarisch sein können.
Die letzten Jahre seines Lebens hatte er internationalen Erfolg.
Er erhielt einen Grammy und zog in die Hall of Fame ein. Und konnte endlich entspannt – zumindest was die Kohle betraf – sein Leben geniessen.
John Lee Hooker starb 2001, mit 84 Jahren „im Schlaf“. Sein Sohn John Lee Hooker Jr. vertritt ihn würdig – auch als Musiker.
Auswahl seiner erfolgreichsten Titel:
Boogie Chillen, 1947
Crawling King Snake, 1948
Hobo Blues, 1949
I’m in the mood for love, 1952
Boom booom, 1961
Dimples, 1956/1964 UK