Urban Blues
Schwarzer Blues – weißer geht’s nicht
Vielleicht ist die einzig richtige und ausreichende Bezeichnung des Blues eben Blues. Delta-Blues und Chicago-Blues. Vom Land in die Stadt. Vollkommen egal in welche Stadt noch oder wohin der Blues auch immer ging. Country-Blues, Texas-Blues, Memphis, New York, London – heute auch Berlin oder Tokio. Und – was ist dann noch Schwarz oder Weiss? McKinley Morganfield, alias Muddy Waters half Johnny Winter bei seinen zwei bluesrelevanten Alben. Das Erste, „Johnny Winter“ genannt und eines der darauffolgenden, „Nothin’ But The Blues“. Bei beiden war Muddy beteiligt, beim letzteren hat er sogar gesungen. Die Credits weisen ihn aus.
Die Frage oder Befürchtung mancher Blues-Puristen ob denn Weisse auch Blues spielen können oder sogar dürfen, hat Muddy nie gestellt oder geteilt. Er machte gerne mit Weissen Musik. Von Johnny Winter, The Band, über Mike Bloomfield, Paul Butterfield bis Donald „Duck“ Dunn von Booker T. & the MGs ist die Liste endlos. Auch wenn man manchmal den Eindruck hat, dass hier besser Schwarze begleitet hätten, meine ich als Weisser. Aber er konnte es sich ja aussuchen.
Viele denken ja auch (zu recht), dass die Weissen den Blues geräubert hätten und sich seiner zum Geld verdienen bedient hätten. Und dann noch der Rocknroll, die absolute Klauerei. Aber selbst W.C. Handy hat sich ja eigentlich am Blues vergangen wenn man seinen „St. Louis Blues“ hört.
Dem Blueser ist das alles wurscht. „Alles ist Blues“ ist da die Antwort. Na ja, die Wahrheit wird dazwischen liegen, wenns denn eine gibt.
Ja, er fiel von der Bühne – oder besser rutschte – `71 in Offenbach am Main. Ich weiss es, ich saß in der ersten Reihe weil ich Karten bekam. Ich durfte als Grafiker das Tourneeplakat „machen“. Eine große Sache – auch wenn ich nur das Foto vom LP-Cover nahm und oben „Johnny Winter“ reinsetzte und unten die Tourneedaten. „…schon wieder ein Besoffener auf der Bühne“ dachte ich. Wir waren bei Rod Steward und seinen „Rotwein-Faces“. Alle total bedudelt mit Rotwein, den sie auch noch auf der Bühne tranken. Erst später erfuhr ich, dass Johnny ein sog. „Albino“ ist, was seine total unpigmentierte Haut erklärt und erheblich auf das Augenlicht und die körperliche Verfassung geht – denke gerade an Heino… aber da wohl auch aufs Hirn. So behaupten zumindest einige Musikkritiker und Mitmusiker. Egal. Er sah nicht das Ende der Bühne und ab gings. Er krabbelte wieder rauf und lachte.
Weißer als Johnny kann man halt nicht sein als Weißer. Und dann schwarze Musik machen. „Kontraste!“ sagte mein Kunstprofessor Habermann. „Schaffen Sie Kontraste!“. Hier hatten sie sich gefunden, auch ohne Professor.
Ja, aber der Johnny Winter hat ja nicht nur Blues gemacht wird so mancher denken. Ja, das haben die echten Blueser ja auch nicht gemacht! Die zogen als „Songster“ übers Land und machten durchaus auch andere Musik um sich den Lebensunterhalt zu sichern. Auch Muddy wird das in frühen Jahren gemacht haben müssen. Oder eben gearbeitet als Cottonpicker, Plantagenarbeiter etc. Manche wurden von den Plattenfirmen für 3 oder 5 Aufnahmen ins Studio gezerrt und dann ab wieder auf den Acker. Dann lieber mal den St. Louis Blues spielen.
Johnny Winter spielte keinen St. Luois Blues. Er hatte bei Colubia Records eingefordert, sein Ding machen zu können, was Clive Davis, der Boss von Columbia, akzeptierte. Clive Davis war je sowieso der größte, beste und erfolgreichste Musikereinkäufer der Siebziger. Nicht nur böse Zungen sagen, der Grund dafür war, dass er allen Musikern jeden Dope besorgte, die sie wollten. Vom Gras, das die Kühe nicht fressen bis zum härtesten was es gab. Und Johnny ging in L.A. oder Nashville anstelle von New York ins Studio. Da fiel es vielleicht nicht so auf wenn der Dealer kam. Später, für „Nothin’ But The Blues“ ging Johnny Winter wieder nach New York. Da brauchte er keine Drogen mehr. Und Clive Davis saß ein.
Johnny Winter nahm sehr viel mit seinen Bruder Edgar auf. Sie machten von Kindesbeinen an zusammen Musik, es gibt Fotos von Beiden mit Ihrer Mutter am Klavier. Edgar war vom Albinismus nicht so stark gezeichnet und war musikalisch eher vom Jazz beeinflusst. Aber wenn beide in Studio oder auf die Bühne gingen, stand im Publikum alles Senkrecht. Das Album „Together“ zeugt davon.
Johnny Winter spielt immer noch, stark gezeichnet von seiner Krankheit und dem übermäßigen Drogenkonsum. Als er vor einigen Jahren während eines Konzerts wieder von seinem Rollstuhl aufstand, gab es kein Halten mehr. „Johnny B. Goode“. Da stand ER senkrecht.
Johnny Winter live „Dust My Broom“ ein Titel von Elmore James:
Johnny Winter live “Johnny B. Goode” von Chuck Berry im Rockpalast 1979:
Johnny Winter “Nothing But The Devil”:
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